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Humanis­ti­sche Union fordert die Überprüfung von Straßen­namen

07. Mai 2008
Humanistische Union fordert die Überprüfung von Straßennamen

Die Humanistische Union Niedersachsen begrüßt die Entscheidung der Fraktion der SPD und der Fraktion der Grünen im Rat der Stadt Celle, die Aufklärung der nationalsozialistische Vergangenheit von Celler Kommunalpolitikern voranzutreiben. Immer wieder hatte sich der Rat der Residenzstadt in den vergangenen Jahren dazu gezwungen gesehen, aufgrund neuer Erkenntnisse über die NS-Vergangenheit Straßen, wie die „Ernst-Meyer-Allee“ umzubenennen und den ehemaligen Nationalsozialisten und Gauleiter Otto Telschow und Reichskirchenminister Hanns Kerrl die Ehrenbürgerschaft abzuerkennen. Dieses Jahr sind Einzelheiten über die Beteiligung des ehemaligen Celler Oberbürgermeisters Kurt Blanke bekannt geworden. Durch die neuen, erdrückenden Beweise zu seiner maßgeblichen Rolle bei der sogenannten „Arisierung“, der zwangsweisen Enteignung von Juden, ist der Celler Stadtrat möglicherweise gezwungen, einer weiteren Celler Persönlichkeit die Ehrenbürgerwürde zu entziehen und auch die nach ihm benannte „Kurt-Banke-Straße“ in der Nähe des Neuen Rathauses könnte zur Disposition stehen.

Stephan Alexander Glienke, Zeithistoriker und Landesvorstandsmitglied der Humanistischen Union, sieht in einer „umfassenden wissenschaftlichen Untersuchung der mit Ehrenbürgerschaften und der Vergabe von Straßennamen geehrten Persönlichkeiten die einzige Möglichkeit, angemessen mit diesem Abschnitt der Stadtgeschichte umzugehen.“ Auch in der Landeshauptstadt Hannover wird Persönlichkeiten mit fragwürdiger Vergangenheit die Ehre zuteil, Straßen ihren Namen leihen zu dürfen. In Hannover bemüht sich der „Freundeskreis Tambacounda“ bereits seit längerer Zeit um eine Umbenennung der „Lettow-Vorbeck-Allee“ im Stadtteil Badenstedt. Paul von Lettow-Vorbeck war als Kompaniechef der kaiserlichen Schutztruppen in Deutsch-Südwestafrika maßgeblich an der blutigen Niederschlagung des Aufstands der Herero beteiligt. Nach der Schlacht am Waterberg 1904 wurde das gesamte Volk der Herero in die Namibische Wüste vertrieben und dem Tod durch Verdursten überantwortet. 100 Jahre lang haben es deutsche Regierungen vermieden, sich zur deutschen Schuld an dem Völkermord an fast 70.000 Herero zu bekennen. Vor vier Jahren endlich, zum 100. Jahrestag der Schlacht am Waterberg, hat Entwicklungshilfeministerin Wieczorek-Zeul die Herero in Namibia im Namen des deutschen Volkes endlich um Verzeihung gebeten. „Wie glaubwürdig wirken solche Erklärungen, wenn in Deutschland die Verantwortlichen an dem Völkermord mit Straßennamen geehrt werden?“ fragt Glienke.

In der Hannoverschen Südstadt ist die „Elkartallee“ nach Stadtbaurat Karl Elkart benannt, dem vorgeworfen wird, während der Zeit des Nationalsozialismus den Einsatz von Zwangsarbeitern organisiert und jüdischen Besitz konfisziert zu haben. In Hannover Hainholz ist der Historiker Heinrich von Treitschke Namensgeber der „Treitschkestraße“. Mit der Namensgebung der Straße in Hainholz hatten die Nationalsozialisten 1938 einen ihrer geistigen Wegbereiter geehrt. Auf den Antisemiten Treitschke geht der berüchtigte antisemitische Spruch „Die Juden sind unser Unglück“ zurück. „Es kann nicht angehen„, erklärt der Zeithistoriker Glienke, „sich aus Rücksicht auf die durch eine Umbenennung von Straßen entstehenden Kosten mit einfachen Hinweisschildern zufrieden zu geben.“ Dies war in Bezug auf die „Elkartallee“ von CDU-Ratsherr Dieter Küßner vorgeschlagen worden. Stephan Glienke gibt zu bedenken, „dass die Benennung einer Straße einer Ehrung gleichkommt. Schlussendlich muss eine demokratische Gesellschaft selbst entscheiden, mit wessen Namen sie sich schmückt. Fällt eine solche Entscheidung zugunsten von Persönlichkeiten mit höchst fragwürdiger oder gar verbrecherischer Vergangenheit, darf sie sich nicht wundern, wenn sie an dieser Wahl gemessen wird.

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